Lob der Maltechnik

Fritz Leweke (28.1.1901–29.1.2001) hat der Nachwelt im Keller seines Hauses einen Schatz hinterlassen, der jedes Malerherz höher schlagen lässt. Historische Pigmente! Aus großen und kleinen Gläsern, aus Büchsen und Fässern leuchten sie dem Besucher ins Reich der Farbe.

Als uns Christine Leweke, Tochter Fritz Lewekes und die Hüterin des Schatzes, anbot, die Pigmente für die Restaurierung der Deckengemälde zu nutzen, war unsere Freude groß. Die Familien Leweke und Völker waren seit Ende der 1920er Jahre befreundet. Fritz Leweke erwarb 1929 ein kleines Haus in Halle-Kröllwitz, Karl Völker zog nach seiner Rückkehr aus Celle mit der Familie in die Dachwohnung nebst Atelier des Nebenhauses.

Beide waren in den Malerwerkstätten ihrer Väter aufgewachsen und hatten dort ihre handwerklich solide Ausbildung erhalten. Nach dem Besuch einer Kunstgewerbeschule schlossen sie ein Studium an. Völker ging nach Dresden ins Meisteratelier für Wandmalerei von Prof. Richard Guhr, der vor allem als Bildhauer dekorativer Bauplastik an Fassaden und in Innenräumen bekannt wurde und seinen Studenten die Fähigkeit dekorativen Entwerfens im architektonischen Bereich vermittelte. Leweke studierte in München an der Kunstgewerbeschule und Akademie für Bildende Künste, u. a. bei Julius Diez, der seine Malerei auf die leuchtend-dekorative Wirkung der Farbe ausgerichtet hatte und bei Max Doerner, dessen Buch Malmaterial und seine Verwendung im Bilde 1921 gerade erschienen war. Es gilt heute als das erste Standardwerk historischer und moderner Maltechniken.

Ausbildung, Naturell und Begabung befähigte beide zu einer ganzheitlichen und der Architektur dienenden Betrachtung bei der künstlerischen Gestaltung von Räumen. Künstlerisches Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, die daraus entwickelte Idee mit der richtigen Technik zu realisieren, charakterisiert ihre Arbeiten. Ist es bei Leweke vor allem die Restaurierung von Räumen und monumentalen Gemälden sowie später die Konzipierung von Orgeln, in der sich dieser Geist ausdrückt, zeigt er sich bei Völker, wie hier in Schmirma, in der harmonischen Verbindung eigener Schöpfung mit vorhandenen architektonischen Elementen.

So nimmt es nicht Wunder, dass beide in den 1930er Jahren gemeinsam Gestaltungs- und Restaurierungsarbeiten im Auftrag der Denkmalpflege, die sich dem gegen Völker verhängten Malverbot der Nationalsozialisten widersetzte, ausführten – so u. a. 1937–1939 in der Sankt-Sixti-Kirche in Schneidlingen und 1940 im Fürstensaal des Schlosses Moritzburg in Zeitz.

Uta Matauschek hatte 1981, noch vor ihrem Restauratoren-Studium an der Dresdner Hochschule, das Glück, als Praktikantin der Restaurierungswerkstatt im Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci unter der Leitung von Fritz Leweke an der Restaurierung großer Supraporten zu arbeiten. So konnte sie an seiner Arbeitsweise und dem großen Erfahrungsschatz eines damals schon 63 Jahre andauernden Berufslebens teilhaben. Seitdem ist auch sie fasziniert von den Möglichkeiten der verschiedenen Maltechniken, deren tiefere Geheimnisse sich erst durch das eigene Experimentieren und das Kopieren alter Meister erschließen, deren Beherrschung aber auch die Voraussetzung für die Bewältigung großer Bildformate und Räume ist.

Grundlagen einer jeden Maltechnik sind der Malgrund, die Pigmente und das Bindemittel. Die Art des Malgrundes und seine Grundierung bestimmen dabei das spätere Erscheinungsbild der Malerei. Wie die Pigmente in ihren jeweiligen Mischungen – und, bei historischen Pigmenten, auch unterschiedlichen Korngrößen – durch das Bindemittel auf dem Malgrund gehalten werden, bestimmt die optische Wirkung der Malerei. Entscheidend ist dabei, inwieweit der Malgrund durch die Pigmente hindurchscheint, ob sich also durch das Tiefenlicht eine Lasurwirkung ergibt oder ob er durch einen opaken bis pastosen Deckfarbenanstrich verdeckt wird. Lasur ist jedoch keinesfalls gleich Lasur – sie kann beispielsweise flüssig oder trocken aufgetragen oder auch als Pigment in Deckfarbenschichten eingerieben werden. Die Verfahren hängen ganz von der Intention des Künstlers und seinem Wissen um die Eigenschaften der Farbkörper ab – der Disposition zu lasierendem oder opakem Auftrag und der Fähigkeit, Bindemittel aufzunehmen. Ein Zuviel an Bindemittel verursacht Glanz, ein Zuwenig führt zum Abpulvern der Malerei.

Die von Karl Völker in Schmirma gewählte Technik der Kaseinmalerei ist ein Garant für die lange Haltbarkeit des Bildes, hat jedoch eine besondere Tücke: den starken Spannungsaufbau in der Trocknungsphase. Zu starke Leimung kann Schollenbildung und das Abplatzen von Malschicht und Grund nach sich ziehen. Dass Völker diese wirkungsvolle, aber sensible Technik vollständig beherrschte, zeigen die Gemälde. Der leichte Gipsgrund auf dem groben Rupfen bietet kaum die Möglichkeit des Spannungsaufbaus durch das Kasein. So können Malgrund, Pigment und Bindemittel zu einer dauerhaft wasserunlöslichen Verbindung aushärten. Das rettete die Gemälde, als durch das defekte Dach Wasser in die Kirche eindrang. Kasein hat noch einen weiteren Vorteil: Es bildet eine optisch matte, duftig-leichte Oberfläche aus, die auch bei dunkler Farbigkeit keine lastende Schwere im Raum entstehen lässt. Die lasierend oder opak aufgetragenen Pigmente können atmen. In unendlichen Variationen an den hellen Gipsgrund über dem Rupfengewebe gebunden, strahlen sie in Tiefen- und Oberflächenlicht. Dies ist umso wichtiger, als die Decke eines Raumes im Allgemeinen ja verschattet ist, die Malerei also mit wenig Licht auskommen muss.

Das Leuchten der Schmirmaer Deckengemälde beruht natürlich auch auf dem malerischen Kontrast warmer Erdfarben vor dem tiefen Blau des Grundes – und nicht zuletzt auch auf dem Kontrast von Bild- und Raumfarbigkeit insgesamt. Hier war in den letzten Jahren der Klang der Farben entscheidend gestört: Die grüne Farbigkeit der Wände und die gummiartig glänzende Oberfläche des Dispersionsfarbenanstrichs nahmen dem Kirchenraum Leichtigkeit, Licht und Frische, allesamt Kennzeichen der von Karl Völker gestalteten Räume.

Dass der Völkersche Geist nun durch das Einfühlungsvermögen und die Erfahrung von Uta Matauschek und Sybille Kreft wieder hergestellt werden konnte, empfinde ich als großes Glück. So bleibt zu hoffen, das auch der Altar, die Kirchenbänke und die Emporen sowie der Orgelprospekt eines nicht allzu fernen Tages wieder die klare Einfachheit ausstrahlen, die jetzt unter einer dicken Mattlack-Schicht verborgen liegt. Am Ende der Restaurierungsmaßnahmen sollte schließlich auch die Orgel restauriert werden, sodass dann wirklich alle Töne in der Kirche harmonisch und in ursprünglicher Pracht miteinander klingen können.

Klaus Völker, KVI

Aus der Kleinen Festschrift, 2014.

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